Toni erzählt

Ich bin der Eismann von Elspe

Ich bin Antonio Liguori aus Elspe und Eismachen ist meine Leidenschaft. Das ist ein kurzer Satz, der mein Leben ganz gut zusammenfasst. Dazu gehört natürlich noch meine Familie, von ihr erzähle ich später mehr.

Um dahin zu kommen, wo ich jetzt lebe, war es ein langer, kurvenreicher Weg, der mich von einem Eiscafé Deutschlands zum anderen führte. Jetzt führe ich seit fast 13 Jahren das Eiscafé Venezia und freue mich über die Menschen, die nach Elspe kommen, um mein Eis zu genießen. Dabei bin ich gar kein traditioneller Gelataio, also ein italienischer Eismacher, die kommen oft aus Cortina D’Ampezzo. Ich bin gelernter Elektrotechniker und als Eismacher Autodidakt und habe mir viel über das Eismachen selbst beigebracht. Wenn ich meine Arbeit in einem Satz ausdrücken müsste, würde ich sagen: Eismachen ist sehr schön!

 

Antonio, Elspe, 2021. Fotografiert von Dirk Vogel.

 

Mein Vater, der Carabiniere

Doch zunächst einmal: Geboren wurde ich 1975 in Avellino, jetzt bin ich also 45 Jahre alt. Mein verstorbener Vater Romolo war Offizier bei den Carabinieri und weil er oft in andere Städte versetzt wurde, zogen wir, meine Mutter Raffaela und meine Geschwister Franceso, Tiziana und Dolores immer mit um.

Zuletzt war mein Vater Comandante di stazione in Salerno.

Er hatte ein eigenes Büro und wenn ich ihn als kleiner Junge damals in der Kaserne der Carabinieri besuchte, war er in seiner Uniform für mich wie ein Präsident. Ich habe ein Foto von ihm hier im Café hängen, wie er allein dasteht in seiner dunkelblauen Dienstkleidung mit den roten Streifen an der Hose, die Schirmmütze korrekt ausgerichtet auf dem Kopf, auf seiner linken Brust prangen kleine bunte Abzeichen für Verdienste.

Strenge und Harmonie

Seine blitzsauberen schwarzen Schuhe wecken auch heute noch eine Erinnerung in mir an eine Begebenheit, als ein General der Arma dei Carabiniere die Kaserne der Gendamerie in Salerno besuchte. Der hohe Besuch betrat den Raum, mein Vater hatte gerade eine Unterredung mit fünf Untergebenen, er sprang auf und rief „tutti attenti“, Alle Achtung!, und fünf paar weitere schwarze Schuhe seiner Mitarbeiter, die ebenfalls aufgesprungen waren, stießen mit einem scharfen, einzigen „Klack“ die Hacken aneinander: Strenge, Disziplin, aber auch Harmonie, in einem einzigen Moment. Erst später erkannte ich in dem Bild meines Vaters nicht nur den Polizei-Offizier, sondern auch etwas wie Verlorenheit und damit ein Lebensgefühl, dass ich sehr gut kenne.

Dieses Deutsch!

Nach Deutschland bin ich wegen der Liebe gekommen, aber nicht, wie Du jetzt denkst! Ich war damals sehr, sehr verliebt in ein junges Mädchen. Ich war 20, und es hat nicht funktioniert. Um die Trennung zu überwinden, bin ich mit meinem Kumpel Fabio nach Deutschland geflogen. Das war vielleicht ein Schock! Stell dir vor, in Neapel scheint die Sonne und es ist sommerlich warm, und als wir in Hamburg aus dem Flugzeug stiegen, lag da Schnee, es war arschkalt und wir hatten nur Sommerjacken an.

Zunächst habe ich mich mit Jobs als Hilfskoch durchgeschlagen, einer davon war bei „Mario“, einem italienischen Restaurant in Dannenberg (Elbe). Nach ein paar Tagen kam der Chef in die Küche und sagte zu mir: Antonio, Du bist präsentabel, Du musst im Restaurant bedienen, und da hatte ich ein Problem. Ich konnte kaum Deutsch. Deutsch sprechen ist auch heute noch schwer für mich, die Worte wollen einfach nicht in meinem Kopf bleiben.

Auf das Timing kommt es an

Eismachen habe ich 1999 bei Beppo in Betzdorf gelernt, im Eiscafé Boutique. Beppo hat mir die Grundlagen beigebracht, wie man Eis herstellt und dekoriert. Er ist ein richtiges Mannsbild, die schwarzen Haare nach hinten geölt, stämmig und temperamentvoll wie drei Flamencotänzerinnen. Und charmant konnte er sein. Sein Motto: Du musst nicht nur Eis machen, Du musst es auch verkaufen. „Bongiorno Maestro, bella Signora“ rief er, wenn Gäste seine Eisdiele betraten. Klar, Klischees, aber es hat funktioniert, und dabei war Beppo gar nicht mal Italiener, sondern Portugiese. Natürlich habe ich später noch ein paar Fachkurse besucht, aber das, was ich heute kann, habe ich mir weitgehend selbst erarbeitet.

Zwei weitere wichtige Personen in meinem Leben sind Stefano Giordani und seine Frau Luciana Protti vom Eiscafé Riviera in Olpe. Von beiden habe ich viel gelernt, wie man einen Betrieb führt, vor allem von Luciana. Sie war eine strenge Chefin, und sie hat mir Disziplin beigebracht. Denn in einem Servicebetrieb kommt es aufs Timing an, es ist wie in einem Orchester, jeder muss zum richtigen Zeitpunkt „da“ sein, man arbeitet eng miteinander und jeder ist auf den anderen angewiesen.

Rebecca hat den Laden geschmissen

Und hier muss ich Rebecca Pascu erwähnen, die Tochter meiner Frau Daniela Enescu. Eismachen und das Café führen ist ein stressiger Job, da muss ich ab und zu auch mal ein paar Stunden raus. Rebecca hat noch als Jugendliche in meinem späteren Eiscafé in Elspe für mich den Laden geschmissen, und zwar mit der gleichen Leidenschaft wie ich.

Ich habe immer noch ihr Bild hinter der Eistheke vor Augen. Eine zierliche Person, meist trug sie einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und eine kurze, schwarze Krawatte, die dunklen Haare hatte Rebecca mit einem Gummi gebändigt. Ihr Pferdeschwanz hüpfte munter auf und ab wie ein Kind auf der Straße und wenn sie lachte, und das tat sie oft, blitzte ihre Zahnspange, die sie damals trug. Vor fünf Jahren war ich erkrankt, Daniela schwanger und meine Frau sagt: „Ohne sie wäre es in unserer Eisdiele nicht weitergegangen.“

Jetzt ist Rebecca 22 Jahre alt, Unternehmensberaterin, spricht mehrere Sprachen und arbeitet weltweit. Was für ein steiler, direkter Weg, und ich musste quer durch Deutschland kurven, um schließlich anzukommen.

Die Wurzeln meiner Frau

Überhaupt: Ohne meine Familie und meine Frau Daniela wäre diese Entwicklung in meinem Leben gar nicht möglich gewesen. Kennengelernt habe ich Daniela natürlich in einem Eiscafé. Ich arbeitete als Geschäftsführer in Bebra und sie kam als Kundin in mein Café. Ich sah sie, ihre lockigen schwarzen Haare, ihre lachenden, graubraunen Augen, es hat sofort gefunkt, zapp! Sie trank einen Cappuccino und kam dann jeden Tag. Ich habe jeden Morgen mehr Power gehabt, weil diese Frau da am Tisch saß.

Der Geruch nach verbrannten Haaren

Daniela hatte damals nur ein Aufenthaltsvisum und musste nach jeweils drei Monaten zurück nach Rumänien. Ihre Familie lebt in Celaru, das ist ein kleines Dorf 45 Kilometer südlich von Craiova in der Kleinen Walachei. Ich bin da einfach ohne Vorankündigung mal hin mit dem Zug, weil ich ihre Wurzeln, ihre Familie kennenlernen wollte. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit, wie ein Eintritt in eine andere Welt. Felder, soweit das Auge reicht, traditionelle Ziehbrunnen mit einem Schwingbaum, die kleinen Häuser an der Straße mit Blech bedeckt, schrundige Schlaglöcher im Asphalt, die Danielas Onkel vorsichtig umkurvte. Dann war ich da, mit einem Strauß Blumen in der Hand, und stand dem entbehrungsreichen, einfachen Leben der Menschen dort gegenüber. Danielas Vater Marin hat später mir zu Ehren ein Schwein geschlachtet und zu Fleisch und Wurst verarbeitet. An eins kann ich mich noch gut erinnern: den Geruch nach Asche und verbrannten Haaren, als Marin das tote Schwein mit brennenden Strohbüscheln abgeflämmt hat.

Zurückgefahren bin ich mit der Erkenntnis: Es ist gut zu seinen Wurzeln zu stehen, und es ist gut zu wissen, woher dein Essen kommt. 2004 haben Daniela und ich geheiratet und noch drei Kinder bekommen.

Das Sprungbrett in die Selbstständigkeit

Das Sprungbrett in die Selbstständigkeit war schließlich Herne. Nach Jobs im Scarletti in der Bahnhofsstraße und im Café Capri habe ich in Röhlinghausen, einem Stadtteil von Wanne-Eickel, das Eiscafé Italia eröffnet. Ein eigenes Café, das war immer ein leiser Wunsch in meinem Hinterkopf gewesen. Ich hatte genug Erfahrung im Eismachen und in Unternehmensführung gemacht und so wurde der Gedanke lauter: Das kannst Du auch alleine schaffen. Das ging auch so lange gut, bis der Eigentümer das Haus verkaufen wollte. Große Pläne hatte man damit, es sollte ein Seniorenheim werden, was die Stadt Herne aber verbot. Heute findet man dort, wo ich mein erstes eigenes Eiscafé hatte, nur einen Parkplatz.

In einer solchen Lage, wenn man wieder mal vor einem Neuanfang steht, sind gute Kontakte und alte Freunde sehr hilfreich. Einer davon ist Piero, er ist Vertreter für hochwertige Eisprodukte und -zutaten, mit dem ich lange zusammenarbeite, er kommt viel rum. Als wir wieder mal telefonierten, gab Piero mir den goldenen Tipp: In Elspe ist ein Laden freigeworden. Sollen wir nächste Woche mal dahinfahren, fragte er. Ich sagte: Wir fahren jetzt.

Nehmen wir!

Und dann kamen wir in dieses Dorf, sahen das kleine Café an der Hauptstraße und Daniela und ich schauten uns tief in die Augen. Nehmen wir! Seit 2009 gibt es also das Eiscafé Venezia in Elspe. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass die Ernüchterung wenig später auf dem Fuße folgte. Es lief schleppend an, sonntags saßen Daniela und ich oft vorne an einem Tischchen, weil wenig zu tun war. Nach drei, vier Jahren hatte sich die Qualität meiner Eisprodukte dann herumgesprochen und das Geschäft zog an. Ach, was sage ich: Es war wie eine Explosion!

Fremd im Dorf

Als Daniela und ich nach Elspe kamen, waren wir fremd, kannten kaum eine Seele und mussten ein Geschäft aufbauen. Denn die Einrichtung und die technischen Geräte des Cafés waren renovierungsbedürftig. Ein Haufen Probleme, ein Berg, über den uns ein Paar aus dem Dorf geholfen hat. Olli und Sandra haben uns an die Hand genommen, ihnen verdanken wir, dass der Laden ans Laufen kam. Olli ist technisch sehr beschlagen und seine Frau hat uns und unsere Kinder ins soziale Leben von Elspe geführt. Beiden sind wir zu großem Dank verpflichtet, ebenso Marcello Manes, der mir vor ein paar Jahren bei der Renovierung der Inneneinrichtung geholfen hat. „In München kannst Du das Mobiliar eines Cafés günstig kaufen, ein Schnäppchen“, hatte mein Freund Piero mir mitgeteilt. Marcello organisierte einen Lkw und dann sind wir hin, und jetzt stehen die Tische und Stühle hier bei mir. Marcello hat auch den neuen Holzboden im Venezia gelegt.

Manchmal glaube ich, ich bin so etwas wie ein Flickwerk, ein Puzzle, an dem viele liebe Menschen mitgearbeitet haben.

Spare nie an den Zutaten!

Dass das Venezia so gut läuft, habe ich zu einem großen Teil Piero zu verdanken, er ist mein Freund, Mentor und wichtiger Berater, wir verstehen uns auch menschlich sehr gut. Sein Credo: Spare nie an den Zutaten! Man kann heute Erdbeereis machen ohne Erdbeeren, es genügt ein Tropfen künstliches Aroma – aber nicht bei mir, ich hole im Sommer frische, saftige Erdbeeren vom Hof Corte in Helden. Du kannst an der Nusscreme sparen und nimmst 70 Gramm statt 100, aber dann laufen dir irgendwann die Kunden fort. Mein Erdbeereis hat einen Anteil an frischen Früchten von 33 Prozent, normal sind 20 Prozent. Es ist ein Fehler, am falschen Ende zu sparen, also Milch statt Sahne zu nehmen oder die preiswertere Pistazienpaste für 7 Euro/Kilo statt die teure, eine richtige Krankheit. Ich spare nicht am Produkt und deshalb kommen die Leute von weit her, weil sie das Gefühl haben, es lohnt sich: Das Eis hier schmeckt. Und das gibt mir Energie, weiter gutes Eis zu produzieren.

Mit viel Gefühl gemacht

Wie man gutes Eis macht? Es ist eine Komposition aus guten Zutaten, Kenntnis und Erfahrung und viel Leidenschaft. Ich will jetzt nicht sagen, Du musst mit dem Eis sprechen, aber Du musst es mit Gefühl zubereiten. Manchmal denke ich, meine Eismaschine hat eine Seele und sie versteht mich. Wenn ich schlecht gelaunt bin, wird auch das Eis nichts. Ja, ich habe auch schon Töpfe voller Eis abgetaut und weggegossen, weil es mir misslungen war. Also es ist besser, jeden Topf Eis mit Liebe zu machen.

Spiel mit Konsistenzen

Eismachen ist auch ein bisschen wie Mathematik, man muss das Zusammenspiel der Komponenten verstehen. Jede Zutat hat ihre Wirkung, wenig Zucker macht das Eis hart. Die Grundbestandteile sind Milch, Sahne, Zucker, Magermilchpulver gibt dem Eis Stand. Sie werden zusammengerührt, auf 85 Grad erwärmt und auf 4 Grad heruntergekühlt. Danach wird das Eis mit weiteren Zutaten, zum Beispiel Raffaelo, Snickers oder Keksen in die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen weiterverarbeitet. Ich spiele beim Eismachen gerne mit Konsistenzen, um vielschichtige Aromen zu erzeugen. Eis schmilzt auf der Zunge, Cornflakes bringen Biss hinein, es kracht im Kopf, wenn Du darauf beißt. Karamell verweilt länger am Gaumen, weil es etwas cremig-geschmeidig ist.

Cookie, Rotwein, auch Tomate

Bei Fruchteis darfst Du dir keinen Fehler erlauben! Wichtig sind gute, ausgereifte Früchte. In meinem Eis behält die Frucht ihren ursprünglichen Geschmack, Mango schmeckt nach fruchtig-süßer Mango und Marille nach Marille. Ich versuche, immer neue Spezialitäten und Geschmacksrichtungen zu produzieren. Cheesecake etwa, Zartbittereis, Pistazien, Streusel mit Apfel und Zimt, Früchteeis wie Passionsfrucht oder Birne ohne Laktose für allergie-empfindliche Menschen, Cookie, Rotwein und auch Tomate oder Eis mit der extravaganten Gorgonzola-Note. Ins Vanilleeis kommt nur echte Vanille und in das Stracciatella hochwertige belgische Schokolade von Callebaut. Ich habe sogar mal ein Lachs-Eis gemacht.

Lachs zum Schlecken!

Mich hat die Herausforderung gereizt, etwas Unmögliches zu machen im Kontrast zu normalen Sachen wie ein Schoko-Eis. Das erste Experiment ging daneben. Ich hatte geräucherten Lachs in die Grundmasse eingearbeitet: Das Eis war zu intensiv im Geschmack, zu salzig und kaum genießbar. Beim zweiten Versucht habe ich frischen Lachs in die Rohmasse gegeben, sie erhitzt und püriert. Anschließend habe ich Räucherlachs in feinen Scheiben hinzugegeben. Fertig, Lachs zum Schlecken! Ein befreundeter Gastronom meinte: Faszinierend! Hauptsächlich aber mögen die Menschen am liebsten Eis, das mit Schokolade zu tun hat und in dem viele Kalorien stecken.

Menschen, die mir wichtig sind

„Das Glück ist eine Kugel Eis“. Das ist ein schöner Satz. Er stammt von zwei freundlichen Wanderern, die vor Jahren im Venezia saßen und eine kurze Geschichte für ihre Wanderseite über mein Café geschrieben haben, weil es ihnen hier so gut gefiel. Manchmal schneit auch Winnetou vom Elspe-Festival ins Venezia rein. Benny Armbruster war, glaube ich, Rekord-Winnetou auf der Bühne, er kommt in der Saison auf einen Kaffee vorbei, auch Jean-Marc Birkholz, sein Nachfolger in der Rolle.

Es gibt nichts Schöneres, als die Freude und das Strahlen der Kinder, wenn Daniela oder ich ihnen Eis über die Theke reichen. Für mich aber ist Glück meine Familie, meine Frau Daniela, unsere Kinder Rebecca (22), Michelle (13), Aisha (10) und Amira Alessia (4) und mein Freund Piero, die mir immer Kraft gegeben haben, meine Mutter und die Eltern von Daniela, dazu noch Freunde wie Markus Büttner und seine Frau Heike aus Herne, sie waren in schwierigen Zeiten immer zur Stelle und haben uns mit Rat und Tat geholfen.

„Toni, nur die Ruhe“

Die Büttners wohnten damals im Stadtteil Röhlinghausen am Ende eines Parks, in dem wir in unseren Pausen spazieren gingen. Der Park war wie eine Insel in einem Meer von Arbeit. Also, was ich von den Büttners erzählen wollte: Daniela war hochschwanger mit Michelle, unserem ersten gemeinsamen Kind, und wir waren supernervös. „Toni“, sagt Markus, „nur die Ruhe, Kinder kommen nicht ganz plötzlich auf die Welt.“ Als dann Danielas Fruchtblase platzte, war Holland in Not, wie man in Deutschland so sagt. Ich hatte noch keinen Führerschein, aber Markus kam mittags gegen eine Uhr extra von einem Fest, um Daniela zur Entbindung zu fahren. Und gerade heute, in dem Moment, als meine Frau und ich über die Büttners und diese Geschichte reden, meldet sich Markus per WhatsApp. Unsere Beziehung muss wohl noch sehr stark sein.

Hier will ich nicht mehr weg

Und dann ist da auch noch das Dorf, in dem ich heute lebe. Hier hast Du alles, gute Geschäfte und Restaurants, gute Ärzte und Natur, in der meine Kinder gesund groß werden können, die Menschen sind fröhlich und grüßen mich. Ich fühle mich in Elspe sehr wohl, ich bin stolz, hier zu leben und hier will ich nicht mehr weg.

Nur das Meer fehlt mir manchmal, denn wir haben zehn Jahre lang in Amalfi an einer Traumküste gelebt. Wenn ich jetzt einmal Ruhe brauche, fahre ich an den Biggesee und schaue auf das Wasser. Es liegt da still und massig, manchmal wie schwarzes, durchsichtiges Glas und allein seine Schwerkraft beruhigt mich.

Ich rede nicht oft oder gerne darüber, aber ich bin in den vergangenen Jahren spiritueller geworden. Ich lese in der Bibbia, der Bibel, am liebsten die Geschichten der vier Evangelisten. Sie sind wie eine Gebrauchsanleitung für das Leben. Der Glaube hat viel Macht, etwas zu bewirken. Und wenn es nur gutes Eis ist ;-)-….

Mehr ins soziale Leben.

Warum ich euch meine Geschichte heute erzähle, hat nicht nur mit dem Eismachen zu tun. Ich war immer nur der Eismann, der Chef, der immer da ist, immer arbeitet und arbeitet, ein Vogel in einem Käfig. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich außer Eis noch etwas anderes machen muss, mehr am sozialen Leben teilhaben und auch etwas von mir geben muss. Ich unterstütze in Elspe jetzt die Indienhilfe der Familie Simon und habe als Pate ein indisches Kind „adoptiert“. Daniela und ich freuen uns immer auf die Waffelabende in den Werthmann-Werkstätten in Meggen, eine Einrichtung für Menschen mit einem Handicap. Wir liefern Eis und backen Waffeln. Die Menschen kennen uns, sagen Hallo und ich freue mich, wenn wir zusammen lachen. Das sind Momente, die mich berühren und mich wieder unbeschwerter machen. Das ist ein echter Mehrwert in meinem Leben.

Trabbi gekauft

Kleiner Einschub: Inzwischen habe ich sogar wieder Freizeitpläne gemacht. Ich habe einen Trabbi, Baujahr 1961, gekauft. Ursprünglich wollte ich den Trabant mit Hilfe meines Bekannten Sven komplett restaurieren, aber der Rahmen ist unrettbar durchgerostet. Jetzt machen wir einen Trabbi-Anhänger als Werbung für unsere Eisdiele daraus. Sven sagt: Wenn wir fertig sind, wirst Du ein einzigartiges Auto haben. Aber wir müssen erst einmal anfangen…

 Einbürgerungskurs absolviert

In Remscheid unterstütze ich die Deutsch-Italienische Gesellschaft (D.I.G) unter ihrem Vorsitzenden Giovanni Farrugia, die die Integration unserer Landsleute in die deutsche Gesellschaft fördert. Was mich an Gianni fasziniert, ist sein Werdegang und sein ehrenamtliches Engagement. Er hat ein Handwerk gelernt, Elektriker, glaube ich, und hat später studiert und ist Lehrer geworden. In Remscheid organisiert er mit der D.I.G. Förderkurse für Kinder mit Lernschwierigkeiten und Deutschkurse für Kinder und Erwachsene sowie Italienischkurse für deutsche Mitglieder. Außerdem engagiert er sich in der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD Remscheid. Er will seinen Traum verwirklichen: Italienischstämmige Kinder vom Kindergarten bis zum Schulabschluss zweisprachig zu erziehen. Mich beeindruckt sein selbstloser Einsatz für die Menschen und sein Platz, den er als Italiener in der deutschen Gesellschaft gefunden hat. „Du bist hier in Deutschland“, erinnert er gerne seine Landsleute an die Mentalität der Menschen hier. Ein Vorbild? Ganz sicher. Ich habe kürzlich den Einbürgerungskurs absolviert und werde stolzer Besitzer eines deutschen Reisepasses sein. Schließlich lebe ich hier und verbringe in Deutschland mehr Zeit als in Italien.

 Als Sprachvermittler beim Kreis Olpe

Über Giannis Netzwerk bin ich auch zum Kreis Olpe gekommen, wo ich seit einem Jahr beim Kommunalen Integrationszentrum (KI) als Sprachvermittler aushelfe, wenn jemand als Übersetzer für Italienisch oder Rumänisch gebraucht wird. Es sind kleine, aber wichtige Aufgaben, durch die ich mich jetzt als Mensch ein bisschen „kompletter“ fühle. Ich bin dann nicht nur der Eismann, ich bin auch der Toni aus Elspe.

Beim Kreis Olpe hat mich schließlich Pune Yahyaei angesprochen, die das Projekt „Erzähle deine Geschichte“ betreut. Und das ist sie, meine Geschichte.

Antonio Liguori, Elspe
Antonio.

Geb. 19. September 1975 in Avellino, Region Kampanien, Italien. Verheiratet, vier Kinder, heute wohnhaft in 57368 Lennestadt-Elspe, Bielefelder Straße 75, Sauerland. Von Beruf Eismacher und Besitzer des Eiscafés Venezia in Elspe.

Impressionen aus meinem Leben... 

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